Ralph Schulze, Samstag, 27. Februar 2021
Wenn in Spanien an Allerheiligen, der landesweit Feiertag ist, der Toten gedacht wird, geht es keineswegs immer traurig zu: Mancherorts wird der
christliche Festtag sogar mit ausgesprochen guter Laune, witzigen Bräuchen und nächtlichen Fiestas gefeiert. Es gibt wie überall Blumen für die
Gräber, aber auch Musik, Tanz, Karneval und viel gutes Essen.
So geschieht zum Beispiel am 31. Oktober, einen Tag vor Allerheiligen, in der südspanischen Stadt Cádiz ziemlich Seltsames in den Markthallen: Obst,
Gemüse, Fisch und Fleisch werden bunt kostümiert und humorvoll in Szene gesetzt.
Schweinchen als Supermann, Fische als Schlachtenbummler - Die Marktleute in Cádiz kostümieren ihre Waren am Verkaufsstand
Dann starren als Supermann verkleidete Schweinchen von der Wursttheke die Käufer an. Fische sind maskiert als Schlachtenbummler des heimischen
Fußballklubs. Und fröhliche Männchen mit Orangen- oder Kaki-Gesichtern schauen hinter den Obstauslagen hervor.
Vielerorts wird aus der merkwürdigen Verkleidungsaktion fast wie im Karneval ein Wettbewerb, in dem die aufgebauten Markt-Szenerien lokale
Politiker und aktuelle Ereignisse satirisch aufs Korn nehmen. Trauerbewältigung auf Spanisch.
In der Küche und am Esstisch macht sich Allerheiligen („todos los santos“) in Cádiz wie auch anderswo in Spanien ebenfalls bemerkbar: Man isst viele
Krapfen (buñuelos). Oder süße „Heiligenknochen“ („huesos de santo“) aus Marzipan, gefüllt mit zuckersüßem Eigelb.
Vielerorts werden die Toten mit einem Kastanienfest geehrt - An keinem Tag im Jahr werden so viele Blumen verkauft wie an Allerheiligen
Natürlich ist es auch Tradition in Spanien, am Allerheiligentag die Gräber der verstorbenen Familienangehörigen zu schmücken und zu besuchen. An
keinem Tag werden mehr Blumen verkauft als am 1. November. Die Friedhöfe gleichen einem Blumenmeer.
In der spanischen Hauptstadt Madrid befindet sich übrigens einer der größten Friedhöfe Europas. Das riesige Gräberfeld mit dem Namen La Almudena
erstreckt sich im Osten der Stadt über 120 Hektar, was etwa ebenso vielen Fußballfeldern entspricht. Auf dem 1884 eröffneten und immer wieder
erweiterten Friedhof liegen die sterblichen Überreste von etwa fünf Millionen Menschen.
Am Heiligentag spielen die um diese Zeit reifenden Kastanien vielerorts eine große Rolle. In der spanischen Region Galicien feiert man zum Beispiel
zwischen dem 31. Oktober und dem 11. November in vielen Dörfern das Kastanienfest. Dann werden bergeweise Kastanien geröstet und - begleitet von
frisch gekeltertem Wein - verspeist. Auch Musik, Volkstänze und Gesang gehören dazu.
In der galicischen Nachbarregion Asturien treffen sich in der Nacht zu Allerheiligen allerorten die Familien am Lagerfeuer und rösten die frischen
Kastanien für die Lebenden und auch für die Toten. Alles, was vom Rost herunterfällt, lässt man liegen - als Gabe für die Verstorbenen. Ralph
Schulze